Das Geschäftsklima im Baugewerbe ist von großer Ungewissheit geprägt. Dies ergibt sich aus der Frühjahrsausgabe des Wirtschaftsbarometers vom WIFO − Institut für Wirtschaftsforschung der Handelskammer Bozen. Engpässe bei der Materialbeschaffung und die Angst vor einer Konjunkturabschwächung bremsen Investitionen und Neueinstellungen. Besonders verhalten sind die Erwartungen im Tiefbau, wo mehr als ein Fünftel der Unternehmen schon vor dem Krieg in der Ukraine mit einer unbefriedigenden Rentabilität im Jahr 2022 rechnete.



Das Südtiroler Baugewerbe konnte im vergangenen Jahr auf eine starke Nachfrage zählen, auch dank der steuerlichen Anreize des Staates. Im Tief- und Hochbau lag die Kapazitätsauslastung bei über 90 Prozent und bei etwa vier von zehn Unternehmen ist der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Dies ist zum Teil auch auf Preiserhöhungen zurückzuführen, die notwendig waren, um den starken Kostenanstieg auszugleichen. Das Problem der steigenden Rohstoffpreise hat sich im Laufe des Jahres verschärft und es kam zu Verzögerungen bei den Bauarbeiten aufgrund der mangelnden Materialverfügbarkeit. 82 Prozent der Unternehmen erzielten 2021 dennoch eine zufriedenstellende Rentabilität.

Was das Jahr 2022 betrifft, so waren die Aussichten bereits zum Zeitpunkt der Umfrage im Februar durch große Ungewissheit gekennzeichnet. Dies aufgrund des anhaltenden Ungleichgewichtes zwischen Angebot und Nachfrage nach Materialien, das den Aufschwung nach der Corona-Krise geprägt hat. Die Unternehmer/innen im Bausektor befürchteten auch eine allgemeine Abschwächung der Nachfrage in Zusammenhang mit der Verschlechterung der Konjunkturlage und den vom Kostenanstieg verursachten Preiserhöhungen. Dennoch meinten 89 Prozent der Unternehmen, dass die Ertragslage im laufenden Jahr noch zufriedenstellend sein würde. Der anschließende Ausbruch des Krieges zwischen Russland und der Ukraine verschlechterte dann die Situation erheblich.

Diese Ungewissheit beeinträchtigt auch die Investitionstätigkeit im Bausektor, die heuer nach Angaben der Unternehmen nicht zunehmen und sogar zurückgehen könnte. Ähnliches gilt für die Beschäftigung: Nach einem Anstieg im Jahr 2021 war die Zahl der Arbeitnehmer/innen im Baugewerbe zwischen Jänner und März 2022 im Durchschnitt um 1,5 Prozent niedriger als im gleichen Quartal des vergangenen Jahres.

Betrachtet man die einzelnen Branchen des Baugewerbes, so sind die Erwartungen für 2022 insbesondere im Tiefbau verhalten, wo bereits vor dem Kriegsausbruch über ein Fünftel der Unternehmen mit einer unbefriedigenden Rentabilität rechnete. Im Hochbau und im Baunebengewerbe ist das Geschäftsklima dagegen besser.

Michl Ebner, Präsident der Handelskammer Bozen, erklärt: „Für die Bauwirtschaft spielen öffentliche Aufträge eine wichtige Rolle, da sie in Zeiten hoher Unsicherheit zur Marktstabilisierung beitragen. Wir müssen die Chancen des Nationalen Aufbau- und Resilienzplans optimal nutzen und Arbeit für Südtiroler Unternehmen schaffen.“