Heuer wird die Coronavirus-Pandemie zu einer weltweiten Rezession führen, deren Auswirkungen in Südtirol bereits spürbar sind. Das WIFO prognostiziert für 2020 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zwischen 7 und 11 Prozent und hat eine außerordentliche Erhebung gestartet, um die Auswirkungen der Pandemie auf die Südtiroler Wirtschaft besser zu erfassen. Die Handelskammer Bozen setzt sich für mehr Coronatests in Südtirol und die Öffnung aller Betriebe unter bestimmten Sicherheitsvorschriften ein.

Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die internationale Konjunktur
Im vergangenen Jahr zeigte die Wirtschaft der Eurozone Anzeichen von Schwäche, mit einer enttäuschenden Entwicklung der Industrieproduktion, insbesondere in Deutschland und Italien und den Schwierigkeiten des internationalen Handels aufgrund der von den Vereinigten Staaten eingeleiteten Zollpolitik. Die Inlandsnachfrage zeigte dennoch einen positiven Trend, weil Einkommen und Konsum von der niedrigen Arbeitslosenquote getragen wurden. Dies ermöglichte einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone um immerhin 1,2 Prozent. Das Vertrauensklima der europäischen Unternehmen und Konsument/innen war von diesen Entwicklungen geprägt: 2019 setzte der entsprechende Index „Economic Sentiment Indicator“ den bereits im Vorjahr beobachteten Abwärtstrend fort, wenn auch mit einer Stabilisierung in den letzten Monaten. Die Erholungssignale, die sich Anfang 2020 abzeichneten, schwanden dann mit der Ausbreitung des Coronavirus in Asien und später in Europa und Amerika. Im März brach der Vertrauensindikator ein, vor allem in den Ländern, die zuerst von der Pandemie betroffen waren, wie Italien, Spanien und Frankreich.

Tatsächlich sahen sich seit März alle Länder gezwungen, die Mobilität der Menschen einzuschränken. Um die Ansteckung einzudämmen, wurde die Einstellung der Aktivitäten in mehreren Wirtschaftssektoren verfügt. In Italien betrafen die Maßnahmen zunächst den Tourismus- und Gastronomiesektor, die personenbezogenen Dienstleistungen und den Einzelhandel, mit Ausnahme der Lebensmittelgeschäfte. Kurz darauf folgte der Stopp aller nicht systemrelevanten Produktionen und Dienstleistungen. Das ISTAT schätzt, dass die Tätigkeitaussetzung in Italien etwa 2,2 Millionen Unternehmen betroffen hat (dies entspricht fast der Hälfte aller Betriebe und zwei Drittel der Exporteure), sowie 7,4 Millionen Beschäftigte, darunter 4,9 Millionen Arbeitnehmer/innen. Mit bedeutenden Beschäftigungsschocks sind auch die wichtigsten Handelspartner Südtirols konfrontiert. In Österreich überstieg die Zahl der Arbeitslosen im März eine halbe Million, mit einer Zunahme von 65,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. In Deutschland prognostiziert die Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2020 einen starken Anstieg der Kurzarbeit, die mehr als 2,3 Millionen Menschen betreffen soll. Dies wären mehr als doppelt so viele wie 2009 als Folge der Finanzkrise.

Die vom Covid-19-Notstand verursachten Beschränkungen der Wirtschaftstätigkeiten werden im Jahr 2020 zu einer globalen Rezession führen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet einen Rückgang der Weltwirtschaft um drei Prozent, trotz der umfangreichen fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen, die von den verschiedenen Ländern und Zentralbanken eingeführt wurden, um den Liquiditätsmangel der Unternehmen einzudämmen und die Einkommen der Haushalte kurzfristig zu stützen. Für Italien wird sogar eine Abnahme des Bruttoinlandproduktes von -9,1 Prozent prognostiziert. Die Rezession in Deutschland soll demnach -7,0 Prozent betragen, während für die gesamte Eurozone eine negative Veränderung von -7,5 Prozent erwartet wird. Die Vereinigten Staaten, die weltweit die höchste Anzahl an Infektionen meldeten, haben ebenfalls mit einem starken Anstieg der Arbeitslosenquote zu kämpfen. Diese ist im März um fast einen Prozentpunkt auf 4,4 Prozent gestiegen. Nach Schätzungen vom IWF wird das US-Bruttoinlandsprodukt heuer um fast sechs Prozentpunkte sinken. China sollte hingegen eine Rezession vermeiden, das Wachstum dürfte aber auf 1,2% begrenzt sein.

Für das Jahr 2021 erwartet der IWF eine allgemeine Erholung, die auf der Annahme einer schrittweisen Rückkehr zur Normalität und auf den von den verschiedenen Ländern eingeleiteten Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft beruht. Italien wird sich mit einem Anstieg des BIP um 4,8 Prozent jedoch nur teilweise erholen.

Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Konjunktur in Südtirol

Die Südtiroler Wirtschaft ist von der Coronavirus-Pandemie und den daraus resultierenden restriktiven Maßnahmen stark betroffen. Die touristische Wintersaison endete vorzeitig am 11. März. Anders als im Jahr 2008, als es die Finanzkrise gab, könnte Südtirol diesmal mehr leiden als das übrige Staatsgebiet, vor allem wegen der großen Bedeutung einiger Sektoren, die von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Epidemie stark betroffen sind, wie Tourismus, Einzelhandel und Automotive-Industrie. Die ersten Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zeigten sich bereits im März, als die Zahl der Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahresmonat um 4,5% zurückging, was hauptsächlich auf die Schließung des Tourismussektors zurückzuführen ist.

Gegenwärtig ist es schwierig, die Auswirkungen des Covid-19-Notstands auf das Bruttoinlandsprodukt Südtirols zu quantifizieren. Nach den aktuell verfügbaren Informationen schätzt das WIFO, dass das BIP im Jahr 2020 um 7 bis 11 Prozent schrumpfen könnte. Das WIFO führt derzeit, gemeinsam mit EURAC Research, eine außerordentliche Erhebung unter den Südtiroler Unternehmen durch. Ziel ist es, die wirtschaftlichen Effekte der Pandemie genauer zu messen und die notwendigen Maßnahmen zur Überwindung der Krise zu untersuchen. Die Ergebnisse werden in den kommenden Wochen veröffentlicht.

„Die Handelskammer Bozen setzt sich dafür ein, dass in Südtirol mehr Coronavirus-Tests durchgeführt werden und dass alle Betriebe unter der Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen so schnell wie möglich wieder öffnen können“, so Michl Ebner, Präsident der Handelskammer Bozen.

Der Generalsekretär der Handelskammer, Alfred Aberer, betont die Notwendigkeit eines koordinierten Vorgehens aller Akteure: „Die durch das Coronavirus verursachte Epidemie stellt das Wirtschaftssystem auf eine harte Probe. In den letzten Jahren war die Dynamik der Südtiroler Wirtschaft gut und die Unternehmen haben sich als sehr widerstandsfähig bezüglich der konjunkturellen Schwierigkeiten erwiesen. Jetzt werden aber massive Unterstützungsmaßnahmen benötigt, wobei eine starke Zusammenarbeit zwischen dem Land, dem Bankensystem, dem Staat und den europäischen Institutionen erforderlich ist.“